Meine Krankheit macht mich, im besten Fall vorübergehend, im schlechtesten Fall dauerhaft, zu einer invaliden Person. Ich bin zurzeit unfähig, mich in den Arbeitsmarkt zu reintegrieren. An meinen guten Tagen kann ich, mit genügend Pausen, etwa drei Stunden am Laptop arbeiten. Texte schreiben, mich auf Facebook mit anderen Betroffenen austauschen, an meiner Website basteln. Dazu kann ich, nach einer mehrstündigen Pause, nochmal etwa zwei Stunden etwas mit meinen Händen machen, beispielsweise malen, Schmuck basteln oder kochen. Damit ich arbeiten kann, muss um mich herum absolute Ruhe herrschen. Sobald jemand mit mir spricht, der Fernseher oder das Radio läuft, sich jemand nur schon im gleichen Raum bewegt, geht meistens nichts mehr. Also kann ich nur dann etwas Produktives tun, wenn ich allein bin. Auch an den guten Tagen kann ich nicht länger als vielleicht zwei Stunden am Stück sitzen. Tue ich es, büsse ich später dafür.
Ich frage mich seit längerem, was ich, sollte es so bleiben wie es jetzt ist, beruflich mit meinem Leben anfangen soll. Ich glaube, dass ich trotz meines Zustands, sofern er sich nicht nennenswert verschlechtert, der Welt beruflich gesehen noch etwas bieten kann und dafür auch Lohn erwarten darf. Nur, welches Unternehmen stellt Mitarbeiter ein, die den Grossteil ihrer Arbeitszeit im Liegen verbringen, nicht an Sitzungen teilnehmen können (zu laut, zu viele Eindrücke), nicht verlässlich von Montag bis Freitag auf der Matte stehen (Krankheit ist nicht planbar) und dafür auch noch Geld möchten? Eine wirklich lachhafte Vorstellung. In unserer hektischen Berufswelt ist für Leute wie mich kein Platz, jedenfalls nicht auf Angestelltenbasis. Soll ich mich also selbständig machen? Doch womit?
Ich weiss es nicht. Aber ich mache mir auch keine Sorgen darüber. Meistens jedenfalls nicht. Der deutsche Sänger Mark Forster singt in „Sowieso“ sehr treffend: „Egal was kommt, es wird gut, sowieso. Immer geht `ne neue Tür auf, irgendwo!“ So war es immer und so wird es auch dieses Mal sein.
Das englische Wort „valid“ bedeutet übrigens „gültig“. Invalid würde dann also, Umkehrschluss, „ungültig“ bedeuten. Oder, krasser ausgedrückt, „wertlos“. Sprache kann brutal sein, wenn man sie auseinanderpflückt.
Im schweizerischen Sprachgebrauch bezeichnet man damit Personen, die aufgrund von Krankheit oder Unfall nicht mehr arbeiten können. Personen also, die für die Wirtschaft wertlos geworden sind. Und, schlimmer noch, die Steuerzahler ziemlich viel Geld kosten. Wir alle sollten aufpassen, dass man behinderten Personen nicht das Gefühl gibt, sie seien abgesehen von wirtschaftlichen Zwecken, auch für alles andere wertlos. Diese Schlussfolgerung, vollzogen von Gesellschaft und nicht zuletzt von den Betroffenen selbst, liegt nämlich ziemlich nahe, wenn man nicht mehr leistungsfähig ist. Und mag sie noch so falsch sein.
Ich jedenfalls möchte weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich wertlos sein, wie das kein Mensch möchte. Ich werde meinen Weg suchen und bestimmt auch finden. Hoffentlich.
Blick nach Silvretta von Klosters aus. Tolle Skitouren liessen sich da machen. Wenn man gesund wäre.
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